Das seinerzeitige Umfeld und die Beteiligten
Die VW-Werke
Über die VW-Werke zu schreiben, hiesse Wasser in den Rhein tragen. Zur
Erinnerung nochmals die wichtigsten Etappen:
Der Design des Käfers geht auf die frühen 30er-Jahre und Prof. Ferdinand
Porsche sen. zurück.
In den späten 30er Jahren gab es unter dem damaligen politischen Regime in
Deutschland Anstrengungen zur Volksmotorisierung. Mit dem Kauf von
VW-Sparmarken konnte ein Sparbüchlein gefüllt werden, das dann - gefüllt - zu
einem VW-Käfer berechtigen sollte. Mit der militärischen Aufrüstung und dem
nahenden Krieg wurden dann aber die Produktionsanlagen des VW-Werks zur
Produktion von Rüstungsgütern benutzt …
Im 2. Weltkrieg (1939-1945) wurden im VW-Werk im späteren Wolfsburg unter der
Leitung von Dr. Piëch VW's in verschiedenen Versionen gebaut, z.B. als
Kommandowagen, Kübelwagen oder Schwimmwagen. Nach dem Krieg ab 1945/46
entstanden erste Produktionsserien des VW unter der britischen Besatzung zu
Eigenbedarf. Anschliessend wachsende Nachfrage aus vielen Ländern, und Aufnahme
der Produktion für den Markt.
Unter der Leitung von Heinrich Nordhoff wächst der VW-Konzern zum grössten
deutschen Industrieunternehmen heran.
Schweiz: Die AMAG (Automobil- und Motoren AG) schliesst Importvertrag für den
Käfer im Mai 1948.
Die leitenden Direktoren in den Krisenjahren Ende 60er- und Anfang 70er-Jahre
- 1948 bis 1967: Heinrich Nordhoff (1968 verstorben)
- 1967 bis 1970: Dr. Kurt Lotz
- ab 1970: Rudolf Leiding
Karmann
Mit dem Kauf einer ehemaligen Osnabrücker Kutschenfabrik hat Wilhelm Karmann
1901 den Grundstein zu einer traditionsreichen Firma gelegt
Erste Autokarrosserien entstanden bereits 1902 für Dürrkopp, und in den 20/30er
Jahren entwickelte sich die Firma stetig durch die Fertigung für die
verschiedensten Marken (Opel, Hansa-Lloyd, Citroën, auch Studebaker, Fiat,
etc.), die auch die Ausführung von Grossaufträgen für Adler und Hanomag in den
30ern umfasste.
In den Kriegsjahren mussten dann Rüstungsgüter produziert werden, und in den
Nachkriegsjahren hielten erst verschiedenste Güter wie Essbestecke und
Schubkarren die Firma über Wasser, bis dann 1947 wieder erste Aufträge von Ford
für hölzerne Ladepritschen für LKWs ausgeführt werden konnten.
Der Durchbruch erfolgte mit der Produktion der VW Käfer Cabrios (1949-80) und
der VW Karmann Ghia Modelle auf Käferbasis (1955-74), welche beide in
Eigeninitiative lanciert worden waren, den Gefallen von Nordhoff fanden, und
mit denen sich die Firma beim damaligen Automobilisten einen Namen machte.
Karmann Ghia und Käfer Cabriolet
Bildquelle: www.karmann.de
Die erfolgreiche enge Zusammenarbeit mit VW besteht seit 1953. In den 60/70ern
suchte auch Karmann nach einem Nachfolgemodell für die Käfer-basierenden
Produkte, und fertigte dann ab 1974 den Scirocco I, ab 81 den Scirocco II, ab
88 den Corrado.
Karmann war auch als Fertiger/Lieferant für manchen weiteren Automobilbauer wie
BMW, Porsche (356, 911, 914, …), etc. tätig. Karmann hat seit 1945 über 3 Mio.
Autos produziert; darunter viele gefällige Coupés und traumhafte Cabrios…
Heute gilt Karmann als hoch qualifizierter Zulieferer für Komponente und für
ganze Autos im Herstellerauftrag. Beispielsweise fertigt er das Verdeck für die
Mercedes SLK, und ihm war auch die Konstruktion des Vaneo oder die Entwicklung
des New Beetle Cabrios übertragen.
Giugiaro
Giorgio Giugiaro war ausgebildeter Designer, und machte seine Lehrjahre u.a. bei
Bertone und Ghia. In den 60er Jahren konnte er für sich frühe, grosse Erfolge
mit Kreationen wie z.B. BMW 3200 CS, Maserati Ghibli, Alfasud, und weiteren
verbuchen. Er gründete 1967 ein eigenes Design-Studio, die Firma "ItalDesign",
und erhielt 1969/70 von VW den Auftrag zum Entwurf des Passat (1969) und des
Golf (1970).
Giugiaro propagierte die Keilform als bestimmendes stilistisches Grundmerkmal
für einen Serien-Sportwagen. Die Grundlagenarbeiten dazu waren anfangs der 60er
Jahre von Bizzarrini gemacht worden (Windkanalstudien für den Ferrari GTO), und
bereits 1967 hatte ein erstes Strassenfahrzeug, der NSU Ro 80, in Keilform
debütiert, nachdem diese auch das Erscheinungsbild der Rennwagen im gleichen
Jahrzehnt revolutioniert hatte.
Giugiaro machte entsprechende Stilstudien insbesondere auch für den VW-Konzern
und Karmann in den frühen 70er Jahren. Die Keilform, die vor allem auch für
Sportwagen unbestreitbare Vorteile aufweist (wie flache Front, kompakte
Karosserie und geräumiger Kofferraum) hielt dann 1974 mit dem Scirocco I in
gemässigter Form endlich definitiv Einzug in den Serienbau.
Die Firma ItalDesign ist unter dem Sohn des Firmengründers noch heute im Design
von Automobilen im Markt tätig. Aber auch weitere Industriegüter, wie
beispielsweise die Pendolino (Neigezüge der FS und SBB) wurden von ItalDesign
entworfen.
Der Markt und die Käfer-Nachfolge
Marktkräfte
Ende der 60er Jahre waren die goldenen Jahre des Käfers endgültig vorbei. Die
Konzeption des Käfers aus den frühen 30er Jahren zeigte Zeichen der Zeit und
galt im Markt langsam als ziemlich veraltet. Die Käufer orientierten sich an
attraktiveren, neueren Produkten.
1969 hatte Ford den Capri vorgestellt, Opel konterte 1970 mit dem Manta A. Aber
VW bot mit dem Karmann-Ghia immer noch ein Sportcoupé auf Käfer-Basis an. Der
VW-Konzern steuerte mit seiner Käfer-Monokultur und seiner hauptsächlichen
Ausrichtung auf den Exportmarkt USA - (EIN Produkt & EIN Markt) - auf eine
Krise zu:
- 1969: grösste Absatzkrise des Käfers in USA
- 1970: Gewinneinbruch im VW-Konzern (Lotz muss gehen)
(Kaum jemand ahnte wohl damals, dass der Käfer noch bis 2003 produziert werden
würde, und dass auch Porsche das Heckmotorprinzip äusserst erfolgreich
weiterentwickeln würde)
VW suchte dringend nach einem Nachfolger für den Käfer.
Die Käfer-Nachfolge Produkte
Noch unter Nordhoff waren entsprechende Prototypen seit einer Weile in Arbeit,
leider alle auf Käfer-Basis (Heckmotor, Luftkühlung). Erste Nachfolgemodelle
tauchten auf wie z.B. der 1500/1600er, der 411er und 412er, hatten aber alle
nicht den erhofften Erfolg.
Erst mit dem Antritt von Lotz erfolgten entscheidende Weichenstellungen, von
denen zwei hier von besonderem Interesse sind und ins gleiche Jahr 1969
fallen. Einerseits der Kauf der (ebenfalls sanierungsbedürftigen)
Audiwerke in Neckarsulm, eine Investition für den Konzern, die sich auszahlen
sollte, und in deren Folge VW dann mit dem noch von NSU entwickelten K70 mit
Frontantrieb erste Schritte in VW-Neuland unternahm. Anderseits die Kontakte
von Lotz zu Giorgio Giugiaro, die dann etwas später zu VW Passat und VW Golf
führen sollten, und zum lang herbeigesehnten Turnaround für den VW-Konzern.
Hier die legendäre Geschichte aus diesen Tagen: Bei einem Rundgang auf der
Turiner Motor Show in 1969 liess sich Lotz von einigen Fachjournalisten die
sechs bemerkenswertesten Kreationen der italienischen Carossiers benennen. Vier
davon stammten von Giugiaro. Lotz engagierte nach einem kurzen Gespräch dann
kurzerhand Giugiaro, um die neue VW-Mittelklasse, den Passat, zu entwerfen.
Giugiaro wickelt den Auftrag innert kurzer Zeit (1969 bis 1970) zur vollsten
Zufriedenheit von VW ab. In Wolfsburg war man damals so angetan vom
Passat-Entwurf, dass Giugiaro noch am Tag der Passat-Präsentation den weiteren
Auftrag für den direkten Käfer-Ablöser, den Golf, erhielt.
Der Passat sollte ein erfolgreiches Modell werden, von dem VW von 1973 bis 1980
über 2 Mio Stück produzieren konnte, und auch dem Golf I & Co. wurde ja
dann auf Anhieb ein grosser, nachhaltiger Erfolg beschieden (bis gegen Ende
2003 wurden über 22 Mio. Golfs produziert).
Lotz wurde bereits 1970 wieder durch Leiding abgelöst, der die Erneuerung der
Modellstrategie und Fahrzeugpalette zügig weiter vorantrieb. Von Audi kommend,
brachte er moderne technische Konzepte für den Käfer-Nachfolger mit, wie den
Frontantrieb und weitere wegweisende Lösungen, insbesondere in den Bereichen
Motor und Antrieb. Und wie wir heute wissen, mit Erfolg, vor allem auch, was
die beiden Motortypen anbetrifft, die sich zu den erfolgreichsten Aggregaten
des Automobilbaus entwickeln sollten.
Die Scirocco’s
Die Geburtsstunde des Scirocco
Während den Arbeiten am Golf-Entwurf wurde es Giugiaro plötzlich klar. Für eine
komfortable Familienlimousine hatte der Golf einfach einen zu knappen
Radstand. Aber für ein wendiges und sportliches 2+2-Coupé wären die von
Wolfsburg vorgegebenen Abmessungen optimal gewesen! Am Radstand des Golf liess
sich aber nichts mehr ändern, und von einem kleinen und schnellen Sportcoupé
wollte Lotz damals nichts wissen.
Giugiaro war von der Idee des Sportcoupés auf Golf-Basis so beseelt, dass er
auf eigenes Risiko einen Entwurf realisierte und diesen Karmann präsentierte.
Karmann hatte ebenfalls seit einiger Zeit an Entwürfen für einen
Ghia-Nachfolger auf der Basis des kommenden Käfer-Nachfolgers gearbeitet. Der
Giugiaro-Entwurf kam wie gerufen, er passte ausgezeichnet - der Coupé-Entwurf
und der zukünftige Golf wirkten wie aus einem Guss!
Man präsentierte den Entwurf in Wolfsburg als Karmann-Ghia-Nachfolger an den
neuen Chef, Leiding, doch die wirtschaftliche Situation des VW-Konzerns liess
damals keine finanzielle Beteiligung von VW zu. So entschloss sich Karmann, die
Finanzierung des Projekts allein zu tragen. Man einigte sich mit VW über den
Namen des jüngsten Sprosses und die Belieferung mit Golf-Technik-Komponenten,
und ging dann daran, die Vorbereitungen für die Serienfertigung an die Hand zu
nehmen.
Dass der Neuling Scirocco heissen sollte, passte in die Namensliste jener in
Italien entwickelten Automobile, die den Namen eines Windes tragen: Scirocco
ist im Italienischen der Name des heissen Wüstenwindes aus Nordafrika, der in
Libyen Ghibli und in Ägypten Khamsin heisst!
Scirocco I
Der Scirocco I war eine Gemeinschaftsproduktion: Giugiaro stand für das
Erscheinungsbild, Karmann für die Entwicklung der Karosserie. Die Technik
stammte zum überwiegenden Teil aus Audi-Entwicklungen, die
Entwicklungsabteilung in Wolfsburg hatte das moderne Fahrwerk, die Koordination
und Feinabstimmung der neuen Fahrzeuggeneration beigetragen, und die Fertigung
erfolgte wiederum bei Karmann.
Der Scirocco I entstand auf der gleichen technischen Basis wie der kommende
(erst 3 Monate später vorgestellten) Golf I. Unter dem Blech gleichen sich die
beiden denn auch wie eineiige Zwillinge!
Die sportlich temperamentvollen und sicheren Fahreigenschaften und -leistungen
des Scirocco I leiteten sich vor allem von zwei Dingen ab: konsequenter
Leichtbau und modernste Motorentechnik. Insbesondere der GTI von 1976 hatte
dann Fahrleistungen, die für die Zeit einmalig waren: 800 kg Leergewicht, 81 kW
/ 110 PS, 8.8 sec von 0 auf 100 km/h, und eine Höchstgeschwindigkeit von 185
km/h.
Bau von März / April 1974 bis April 1981
Scirocco II
Früh schon wurde mit Entwürfen für den Scirocco der 80er-Jahre begonnen. Zwei
Grundforderungen waren einzuhalten: strömungsgünstigere Karosserie sowie mehr
Platz für Insassen und Gepäck. Auch Giugiaro machte einen weiteren Entwurf,
aber bei VW entschied man sich dann im Sommer 1977 für den Entwurf der VW
hausinternen Styling-Abteilung.
Es handelte sich um eine neue Formgebung mit horizontal durchgezogener
Gürtellinie, gesenktem Luftwiderstandswert trotz geräumigerer Karosserie, mit
dem Unterbau der (mittlerweile millionenfach) bewährten und laufend
weiterentwickelten Mechanik, mit den gleichen guten Fahrleistungen, dem
sicheren und problemlosen Fahrverhaltens und dem bescheidenen Verbrauch des
Vorgängers.
Dieser Schritt sollte sich auszahlen. Obwohl der Preis um knapp 10% angehoben
werden musste, wurde der Scirocco II sofort ein Verkaufsrenner. Dabei waren
über 20% der Kundschaft weiblich - damals ein überdurchschnittlicher Wert!
Karmann konnte gar nicht so schnell produzieren, wie die Kunden das Sportcoupé
bestellten.
Bau von April 1981 bis September 1992 (wahrlich ein Langläufer in der
Automobilgeschichte!)
Corrado
Seit 88 wieder ein neues Modell, etwas grösser, moderner, fast eher ein
Luxus-Wagen. Er hat von der Erscheinung her wieder eine Spur mehr Anlehnung an
das Scirocco I Karosserie-Design. Auch der technische Unterbau des Fahrwerks
geht immer noch auf die Scirocco I Wurzeln zurück.
Bauzeit von 1988 bis 1995. Kein durchschlagender Erfolg mehr … zu teuer?
Seither sind vom sog. "VW Coupé" oder "VW Sportcoupé Scirocco" keine
Nachfolger-Modelle mehr mit Sportwagen Design im VW-Angebot. Einzig der Golf
GTI trägt die Legende weiter.
Scirocco III
Erst im Jahre 2006 kam wieder Leben in die Scirocco-Geschichte. Am Automobil-Salon in Genf, der im März 2006 statt fand, wurde eine IROC Studie vorgestellt. Im Oktober 2008 konnte man wieder einen VW Scirocco III bestellen bis ins Jahr 2018.
Scirocco III
Erst im Jahre 2006 kam wieder Leben in die Scirocco-Geschichte. Am Automobil-Salon in Genf, der im März 2006 statt fand, wurde eine IROC Studie vorgestellt. Im Oktober 2008 konnte man wieder einen VW Scirocco III bestellen bis ins Jahr 2018.